Modern Times

Moderne Therapiemöglichkeiten bei fortgeschrittenen Tumoren

Im Wiener Kaiserin Elisabeth-Spital wird seit vielen Jahren bei fortgeschrittenen Tumoren des Bauchfells ein chirurgisches Therapieverfahren zur Anwendung gebracht, wobei die Tumorzellen durch eine Erwärmung des Bauchraumes über 40 Grad zerstört werden.

Jeder Tumor eines Bauchorgans, der über die Kapselbegrenzung "seines" Organs hinauswächst, kann bösartige Zellen im gesamten Bauchraum verteilen. Diese Zellen setzen sich am Bauchfell fest und können dort weiterwachsen und Tumorknoten bilden. Besonders häufig machen dies Eierstockkarzinome, Magenkarzinome und einige Formen des Dickdarmkarzinoms.

Man spricht von einer diffusen Carcinose, wenn sich solche Tumorknoten bereits im gesamten Bauchraum - manchmal auch an der Oberfläche anderer Organe - gebildet haben. Von einer lokalisierten Carcinose wird gesprochen, wenn sich nur in der direkten Umgebung einzelne Knoten gebildet haben. Es ist jedoch bekannt, dass auch bei lokalisierter Carcinose oft nur im Mikroskop sichtbare Tumorherde an anderen Stellen im Bauchraum auffindbar sind. Dies erklärt auch, warum bei vielen Patienten, trotz radikaler Chirurgie nach 6-12 Monaten neuerlich Tumore feststellbar sind.

Mit der Ausbreitung auf das Bauchfell hat der Tumor einen Weg gewählt, der den herkömmlichen Therapiemethoden nur schlecht zugänglich ist. Die früher in einer solchen Situation durchgeführte Bestrahlung des gesamten Bauchraumes hat sich aufgrund der beträchtlichen Nebenwirkungen als zu gefährlich dargestellt. Die systemische Chemotherapie (dabei werden tumorzerstörende Medikamente über eine Infusion verabreicht) kann nur bei Eierstockkarzinomen eine Wirkung erzielen. Bei anderen Tumoren mit Ausbreitung auf das Bauchfell konnten keine oder nur sehr geringe Erfolge beobachtet werden.

Aus diesem Grund suchte man seit längerer Zeit nach Therapiemethoden um diese Tumorherde am Bauchfell wirkungsvoller behandeln zu können oder die Ausbildung solcher Tumorherde überhaupt zu verhindern.

Es ist bekannt, dass die "intraperitoneale Chemotherapie"(dabei werden tumorzerstörende Medikamente direkt in den Bauchraum verabreicht) bei einzelnen Patienten zur Rückbildung der Carcinose führen kann.

Es ist aber auch bekannt, warum viele Patienten nur teilweise auf diese Therapieform ansprechen:

  • Wird das Zytostatikum durch Punktion des Bauchraumes "blind" in die Bauchhöhle eingebracht, so werden nicht alle Winkeln des Bauchraumes erreicht und damit auch nicht behandelt.
  • Sind die Tumorknoten größer als 5 mm im Durchmesser, so dringen die Medikamente nicht bis ins Zentrum des Knotens vor.

  • Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde die "intraoperative, intraperitoneale, hypertherme Chemoperfusion" als erfolgversprechende Therapieform entwickelt. Diese Therapieform besteht aus drei Teilen:

    1) Chirurgie

    Eine Operation ist aus folgenden Gründen notwendig:

    - Häufig führt der Haupttumor oder die Carcinoseknoten zu Verengungen im Darmbereich mit der Gefahr des Darmverschlusses. Diese Hindernisse im Darmbereich sollten unbedingt entfernt werden.

    - Alle großen Tumorherde werden entfernt oder zumindest auf eine Größe kleiner als 1 ccm reduziert. Damit kann - bei gleichzeitiger Überwärmung, siehe "Hyperthermie" - garantiert werden, dass das Zytostatikum die verbliebenen Tumorknoten durchdringt.

    - Alle "versteckten Winkel" werden freigelegt um den Zytostatikum einen freien Zugang auch zu diesen Regionen zu schaffen.

    2) Intraoperative, intraperitoneale Chemotherapie.
    - Wird ein Zytostatikum direkt in die Bauchhöhle verabreicht, so werden sehr hohe Mengen dieser Substanz direkt an der Tumorzelle wirksam. Diese an der Tumorzelle wirksame Menge ist um das bis zu 100-fache höher als bei einer Gabe der gleichen Substanz über eine Vene in Form einer Infusion.

    - Wird das Zytostatikum gleich anschließend an die Operation verabreicht, werden alle Regionen des Bauchraumes erreicht.

    3) Hyperthermie (=Überwärmung des Bauchraumes).

    Durch die Überwärmung des Bauchraumes (41-43 Grad Celsius) werden zusätzlich folgende Effekte erreicht:

    - Temperaturen über 41,5 Grad Celsius können zur Zerstörung der Tumorzellen führen. - Die Eindringtiefe von Zytostatika wird deutlich erhöht. Damit finden sich auch im Zentrum von größeren Tumorknoten noch große Mengen der tumorzerstörenden Substanzen.
    Wie funktioniert diese Therapie in der Praxis?

    Wie schon oben kurz dargestellt, bedarf es immer einer Operation, d.h. einer Eröffnung der Bauchhöhle. Liegt ein großer Bauchtumor vor, so wird dieser nach den Regeln der Tumorchirurgie entfernt. Sind weitere Carcinoseknoten auffindbar, die einen Darmanteil fast vollständig verschließen, dann werden auch diese Darmanteile entfernt um einen drohenden Darmverschluss zu verhindern. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es nur in Ausnahmesituationen notwendig ist, einen künstlichen Darmausgang anzulegen. Anschließend werden alle größeren, tumorösen Knoten am Bauchfell entfernt. Abhängig von der Ausdehnung des Tumors und dem Carcinosebefall des Bauchfells kann die Operation bis zu 6 Stunden dauern. Am Ende werden spezielle Katheter in den Bauchraum gelegt. Diese werden zur intraperitonealen Chemotherapie und zur Temperaturmessung im Bauchraum verwendet. Dann kann die Bauchwunde verschlossen werden. Noch in Narkose wird der Bauchraum über die Katheter mit einer Flüssigkeit gefüllt. Eine spezielle Pumpe saugt die Flüssigkeit wieder ab, erwärmt diese gleichzeitig wieder und pumpt sie dann in den Bauchraum zurück. Über diese Erwärmung wird nun auch der Bauchraum erhitzt. Wenn die Sonden zur Temperaturmessung 41,5 Grad Celsius im Bauchraum messen (ca nach 20 Minuten), wird der Flüssigkeit das Zytostatikum zugesetzt. Dieses verteilt sich nun ideal und seine Wirksamkeit wird über die künstliche Erwärmung des Bauchraumes verstärkt. Die Überwärmungstherapie und die Chemoperfusion (= Spülung der Bauchhöhle mit dem Zytostatikum) wird für eine Stunde fortgesetzt.

    Wie nach jeder größeren Bauchoperation ist trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ein Restrisiko von sogenannten allgemeinen Komplikationen (z.B. Lungenentzündung, Venenthrombose, Harnwegsentzündung) vorhanden. Besonders nach vorangegangener Chemotherapie ist die Neigung zu postoperativen Infektionen höher. Die chirurgischen Komplikationen (z.B. Undichtheit einer neugeschaffenen Darmverbindung, Nachblutung) liegen nach internationalen Ergebnissen nicht über den allgemein anerkannten Normen. Die Hyperthermie und die Chemotherapie selbst führt unter Umständen zu einer verlängerten Darmträgheit (3-4 Tagen), die für den Patienten durch ein unangenehmes "aufgeblähtes" Gefühl merkbar ist. Bei Patienten, die schon über eine längere Zeit Cisplatin als systemische Chemotherapie vor der Operation erhalten haben, ist die Gefahr einer vorübergehenden Einschränkung der Nierenfunktion gegeben. Insgesamt kann jedoch festgestellt werden, dass bei entsprechender Vorbereitung die intraoperative, intraperitoneale, hypertherme Chemoperfusion das Risiko von Komplikationen nicht erhöht.

    Erfolgsaussichten:

    Unbehandelt führt die Carcinose des Bauchfells rasch zu einem nicht beeinflussbaren Tumorwachstum. Herkömmliche Therapiemaßnahmen sind nur selten wirksam. Mit Hilfe der dargestellten chirurgischen Maßnahmen in Kombination mit der intraperitonealen, hyperthermen Chemoperfusion kann in Anlehnung an die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in 70% der behandelten Patienten ein Ansprechen der Therapie nachgewiesen werden. Bei ca. 30% der Patienten zeigt sich auch nach mehreren Jahren kein Hinweis auf ein Fortschreiten der Erkrankung. Ob diese Patienten wirklich vollkommen von dieser bis jetzt als unheilbar eingeschätzten Erkrankung geheilt werden können, kann noch nicht eindeutig festgestellt werden. Einzelne Patienten mit weit fortgeschrittenen Eierstocktumoren und speziellen Tumoren des Dünn- und Dickdarmes leben nach dieser Therapie jedoch bereits länger als 5 Jahren, sodass eine Heilung anzunehmen ist. Für eine spezielle Form der Carcinose, dem sogenannten Pseudomyxoma peritonei sind die Erfolgsaussichten noch besser.

    An der chirurgischen Abteilung im Kaiser Elisabeth-Spital (Vorstand: Univ. Prof. Dr. K. Glaser), 1150 Wien, Huglgasse 1-3, wird diese Therapieform von der Arbeitsgruppe onkologische Chirurgie seit Jahren mit Erfolg durchgeführt. Ansprechpartner sind: Dr. Agnes Heiss und Oberarzt Dr. F. Kober.


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